Seit mehr als zwei Jahrzehnten waren wir zusammen. Fast täglich haben wir uns gesehen, manchmal nur ein paar Minuten und manchmal für mehrere Stunden. Wir haben zusammen gelacht, geweint und natürlich gab es die eine oder andere Krise. Aber im Grossen und Ganzen: Es war eine innige, tiefgreifende Beziehung. Die jetzt vorbei ist. Zumindest vorübergehend.
Die Rede ist hier nicht von einer Freundin, Frau, Geliebten, einem Freund oder Kollegen, nein ich spreche von meinem TV.
Mein TV, und ich wage zu behaupten, die TVs von vielen Personen, ja von den meisten sogar, spielte eine nicht unwesentliche Rolle in meinem Leben. Er schenkte mir Freude, informierte mich über das Weltgeschehen und ich konnte mit ihm lachen und weinen. Und nie wurde er böse, wenn ich während des Programms einschlief. Nein, er wartete geduldig bis ich wieder aufwachte. Er war mein treuer Begleiter in den letzten Jahrzehnten.
2017 ein Neuanfang
Doch mit dem Beginn des neuen Jahres entschied ich mich, diese Beziehung nun aufzulösen, zumindest mal für eine bestimmte Zeit. Nicht, dass ich die gemeinsame Zeit nicht genossen habe, aber in den letzten Jahren verging die Zeit immer schneller und schneller und ich kam nicht dahinter warum. War es, weil ich älter wurde? Haben wir nicht alle von unseren Eltern und Grosseltern gehört wie schnell die Zeit mit dem Alter vorbei geht. Ist es nun mit 31 soweit? War ich nun Teil der Generation meiner Eltern und Grosseltern, die sich über die in ihren Fingern zerrinnende Zeit beklagten?
Nein! Es ist schlicht nicht möglich, dass die Zeit plötzlich schneller vergeht. Doch was hat sich geändert im Gegensatz zu meinen Jahren als Kind?
Mediale Reizüberflutung
Als Kinder hatten wir keine Smartphones, keine Tablets, kein gut funktionierendes Internet. Denn damals mussten wir uns noch mit einem 56k Modem ins Internet einwählen lassen und dies brauchte Zeit und Geduld.
YouTube, Facebook, Instagram, Twitter und selbst Google kannten wir damals nicht. Es war einfach noch nicht erfunden. Wir lebten in der Prä Social Media Zeit und wurden nur mit einem Bruchteil von neuen Informationen pro Tag konfrontiert.
Und heute? Wir erhalten Informationen über Radios, TVs und Smartphones, wobei Smartphones sicher diejenigen Geräte sind, welche den grössten Einfluss auf unsere Reizüberflutung haben. Diesem Umstand kann man aber entgegentreten indem man Push-Nachrichten von Newsportalen und sozialen Kanälen unterbindet oder zumindest reduziert.
Kein TV
Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam und müde war, dann war es immer sehr entspannend sich einfach kurz vor den TV zu setzen und ein bisschen zu relaxen. Ich habe immer gedacht, dass mich der TV entspannen kann. Aber dem ist nicht so, denn, wenn wir Fernsehschauen, dann werden wir mit zusätzlichen Informationen und Reizen überflutet, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Auch habe ich mit der Zeit gemerkt, dass ich mir gar nicht bewusst bin, wie viel Zeit vergeht, wenn ich TV schaue.
Genau hier liegt das Problem. Wir haben das Gefühl, dass die Zeit so schnell vorbeigeht und wir gar nichts vom Leben haben, weil wir uns Dingen hingeben, die uns keine neuen persönlichen Erlebnisse verschaffen. TV zu schauen informiert uns über das Weltgeschehen oder wir sehen neue Filme und Serien, aber wir erleben nichts Neues, sondern konsumieren einfach passiv irgendwelche an sich unwichtigen Inhalte.
So besteht unser Leben im schlimmsten Fall aus einer Reihe von sich tagtäglich wiederholenden Ereignissen und weil wir nichts Neues erleben, haben wir schlussendlich das Gefühl, dass uns die Zeit zwischen den Finger zerrinnt.
2 Wochen danach
Meine Lösung für den Moment ist, dass ich kein TV mehr schaue. Wenn ich nach der Arbeit müde bin, dann mache ich halt ein Nickerchen. Wenn ich hungrig bin, gehe ich essen oder koche mir etwas. Wenn ich mich nach Unterhaltung sehne, dann treffe ich mich mit Freunden, lese ein Buch, schreibe einen Blogbericht oder mache irgendetwas anderes.
Ich merke ab und zu, dass sich mein Geist nach der Berieselung von TV Inhalten sehnt, aber dies einfach aus dem Grund, weil ich es mir nicht mehr gewohnt bin, dass mir dieses Medium nicht mehr zur Verfügung steht. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass ich es hier mit Entzugserscheinungen zu tun habe.
Aber dies bestärkt mich nur darin, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe.