Unser Bildungssystem steht vor der grössten Herausforderung, die es im letzten Jahrtausend gegeben hat und es scheint, dass unsere Bildungsinstitute überhaupt keine Ahnung haben, wie sie auf die bevorstehenden Herausforderungen reagieren sollen.
Die Rede ist natürlich von der Digitalisierung, der Automatisierung, von AI (künstlicher Intelligenz), Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und schlussendlich die Singularität der künstlichen Intelligenz, also der Zeitpunkt, wenn die künstliche Intelligenz in allen Bereichen um ein Vielfaches smarter ist, als der intelligenteste Mensch auf diesem Gebiet. Diese Tatsachen machen uns Menschen im täglichen Leben zu schaffen, einerseits weil sie uns Jobs wegnehmen und andererseits weil wir gewisse Dinge auch nicht mehr verstehen.
Es ist also die Aufgabe der Bildungsdirektoren, dass wir unsere Kinder auf eine komplett neue Welt vorbereiten, wie wir sie noch nie gesehen haben. Unser Bildungssystem muss diesem wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt Rechnung tragen und sich entsprechend verändern. Bildungsinstitute reagieren dann leider oft auf die gleiche Art und Weise und beschaffen Tablets für die Kinder, als ob nicht schon der Grossteil der heutigen Kinder bereits ihre ganze Freizeit mit Smartphones und Tablets verbringen. Und wenn die Lehrperson dann noch weniger Ahnung von solchen Geräten hat, als die Kinder selbst – dann gute Nacht Gesellschaft.
Streicht Mathematik und Fremdsprachen aus dem Lehrplan
Der neue Zürcher Lehrplan 21 sieht vor, dass die Fremdsprachen Englisch und Französisch noch viel intensiver gelehrt werden. Auch in der Mathematik wurden zusätzliche Anforderungen definiert. Grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass uns Sprachen viele Türen öffnen und wenn man gut rechnen kann, dies ab und zu mal von Vorteil sein kann. Aber das bringt unseren Kindern in 10 bis 20 Jahren genau nichts mehr und sie werden einen Grossteil ihrer wertvollen Zeit damit verschwendet haben, für Englisch, Französisch und Mathematik zu büffeln und sich Wissen anzueignen, welches sie dann sehr selten oder gar nie einsetzen werden.
Klar Englisch brauche ich praktisch täglich in meinem Berufsleben und ich bin wirklich froh, dass ich dies einsetzen kann. Auch auf privaten Reisen ist Englisch ein wahrer Segen. Wenn ich dann auch noch meine Rechnungen prüfen kann, ob wirklich alles korrekt abgerechnet wurde, dann bin ich ja schon mal richtig happy. Französisch lass ich jetzt mal aussen vor. Mochte ich nie, konnte ich nie und werde ich auch nie können.
Werden unsere Kinder die gleichen Bedürfnisse im Berufsalltag haben wie wir? Ich bezweifle dies sehr stark. Unsere Bildungsdirektion sieht dies offensichtlich ganz anders.
Die Zukunft kommt. Wirklich!
Nehmen wir mal an der kleine Elias (fiktiver Charakter) kommt in diesem Sommer in den Kindergarten. Dann wird er in ca. 2 Jahren in die erste Klasse kommen, dann 6 Jahre später in die erste Oberstufe und dann nach 2 Jahren vielleicht noch 4 Jahre Gymnasium und anschliessend ein 3-jähriges Studium. Elias hat also noch ca. 17 Jahre Zeit bis er in die Berufswelt eintritt. Hat jetzt wirklich jemand noch das Gefühl, dass es für Elias in 17 Jahren relevant sein wird, ob er Englisch und Französisch spricht und sich mit Mathe auskennt?
Wer dies glaubt, der verschliesst wohl einfach zu gern die Augen vor der Realität. Denn Elias wird in 17 Jahren kein Problem damit haben Italienisch, Englisch, Spanisch, Japanisch, Koreanisch, Chinesisch und ja auch Französisch zu verstehen. Warum? Ganz einfach, weil es jetzt schon Geräte gibt, die eine Simultanübersetzung möglich machen und in 17 Jahre sind diese Geräte definitiv teil von unserem Alltag. Elias sollte aber definitiv zumindest eine Sprache richtig lernen und das wäre hier in der Deutschschweiz dann wohl Deutsch, um sich wenigstens mit dem Simultanübersetzungsgerät verständigen zu können.
Muss Elias noch rechnen können? Naja, muss ich gross rechnen in meinem Alltag? Nicht wirklich und in 17 Jahren wird das jede Zahnbürste besser können als alle Mathematiklehrer zusammen.
Grundsätzlich sollten wir unseren Kindern nichts mehr beibringen, was eine Maschine oder ein Programm besser machen kann. Das wäre reine Zeitverschwendung.
Kreativität und Empathie fördern
Unsere Kinder sollten diejenigen Fähigkeiten weiterentwickeln, welche sie von den Maschinen unterscheidet, wie z.B. Zeichnen, Malen, Schreiben, Musik, Sport, Wertvorstellungen, Visionen, Träume, Schauspielerei, Tanzen, Mitgefühl, Naturverbundenheit und vieles mehr.
Denn wenn wir unsere einzigartigen kreativen Fähigkeiten weiterentwickeln, werden wir merken, dass all die Maschinen und Programme Tools sind, welche wir für unsere Zwecke einsetzen können und vor denen wir uns nicht fürchten müssen. Ja, ein Programm kann auch ein Bild malen, aber auch ein Elefant oder Schimpanse kann ein Bild malen und es wird als Kunst bezeichnet. Wir fürchten uns deshalb aber nicht davor, dass der Elefant uns den Job wegnimmt. Warum sollten wir uns also vor einer Maschine fürchten?
Wir sollten also aufhören schon in der Grundschule Kindern Tablets in die Hände zu drücken, damit sie sich mit der neuen Technologie vertraut machen können. Da so oder so nur die intuitivsten User Interfaces überleben werden, müssen wir uns keine Sorgen machen, dass unsere Kinder diese nicht bedienen können, oder warum kann der 4-jährige Elias schon jetzt ein Tablet bedienen und sein Grossmami Hildegard (auch ein fiktiver Charakter) benutzt es immer noch als Schneidbrett? Intuitive Bedienungen werden über den Erfolg von Tools in der Zukunft entscheiden.
Lehrplan 1.1
Unsere geschätzten Bildungsdirektoren mögen sich doch mal ein paar wichtige Fragen stellen, wenn sie neue Lehrpläne ausarbeiten:
- Welche Technologien werden in Zukunft zum Einsatz kommen und welche Relevanz haben sie für das Berufsleben?
- Wie wird sich die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung auf das Leben einer Gesellschaft auswirken und welche Berufe werden in Zukunft gefragt sein?
- Welche Werte wollen wir unseren Kindern mit auf den Weg geben?
- Was für eine Rolle soll die Natur- und Tierwelt in Zukunft in unserer Gesellschaft haben?
Eine bewusste Entscheidung
Für Eltern wird es ab sofort entscheidend sein, dass sie sich eine Schule aussuchen, welche auf die oben genannten Fragen Antworten liefern kann und für die nächsten Jahre einen Entwicklungsplan vorweisen kann, der diesen Fragen Rechnung trägt. Wir wollen ja nicht 17 Jahre von unseren Kindern verschwenden, damit wir anschliessend zusehen müssen, wie sie im täglichen Leben straucheln und sich mühsam einen Weg aus dem Schlamassel suchen müssen, welchen wir ihnen aus Faulheit eingebrockt haben.
Wir müssen uns alle damit auseinandersetzen, was das Beste für uns, unsere Kinder und unsere Gesellschaft in Zukunft sein wird. Leider kann man dies nicht mehr der Politik überlassen, da dort doch noch mehrheitlich Dinosaurier an der Macht sind und die schöne alte Welt verteidigen. Fortschritt kann einzig aus der Gesellschaft heraus entstehen und wir sind alle ein Teil davon, also müssen wir alle einen Teil dazu beitragen (Demokratie bremst Innovation). Für eine sinnvolle Zukunft!
Ein Gedanke zu “Education 0.8”